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    	Nicht nur in Bibliotheken fragt man sich das, und selbst in diesen „heiligen Tempeln des Buches“ 
    	ist man sich der Antwort wohl nicht mehr so sicher – denn: immer mehr Bibliotheken bieten ihren Klienten 
    	zusätzlich zum herkömmlichen Buch und Zeitschriftenaufsatz auch deren elektronischen Varianten an.
			
  
		Diese Frage wieder aufzugreifen, motivierte mich die Lektüre der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Gehirn und Geist“, 
		die sich dem Hauptthema „Wie das Internet unser Denken erobert“ widmete und dabei auch eine längere Untersuchung 
		über „Die Vorzüge des Blätterns“ abdruckte.
			
  
		Immer mehr Texte lesen wir heutzutage am Bildschirm, und es ist auch wirklich sehr bequem, 
		wenn ich so ganz nebenbei meine Hochschulbibliothek beauftragen kann, einen interessanten Aufsatz 
		zu Plansprachen mal kurz per Fernleihe zu besorgen, und dieser Text dann idealerweise „ohne Papier“ geliefert wird, 
		so dass ich ihn gleich am nächsten Tag lesen und bei Bedarf auch drucken kann. | 
    
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		Ich gestehe auch gerne ein, dass ich das größte und schwerste Buch, das je in Esperantujo erschien, 
		nicht mehr missen möchte und es fast täglich konsultiere, indem ich dessen elektronische Ausgabe 
		auf meinem lokalen Rechner befrage: eine Suche in den über 14 Tausend
		Periodika in und zu Esperanto, die unser Freund Árpád Máthé zusammengetragen hat 
		(wir haben mehrfach darüber berichtet, auch Detlev Blanke diesjährigen Heft 2), 
		geht eben viel zügiger von der Hand, weil die entsprechende Datei immer und überall für mich verfügbar ist.
		    
  
		Aber das ist nicht gemeint, wenn man die oben formulierte Frage aufwirft. 
		Besser sollte man vielleicht so fragen: „Kann in Sachen Lesbarkeit die digitale Lektüre 
		mithalten mit dem guten alten Schmöker?“
			
  
	    Der New-Yorker Wissenschaftsjournalist Ferris Jabr überschrieb seinen 
	    Artikel „Die Vorzüge des Blätterns“; und das verrät uns schon, wie das Duell 
	    wohl ausgehen dürfte.
    
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	    In Kurzform seine Hauptthesen:
		    
      - Ein aufgeschlagenes gedrucktes Buch besitzt eine klare 
	      Seitenaufteilung, so dass wir uns in ihm viel besser und schneller 
	      orientieren können als in einem E-Book; denn unser Gehirn interpretiert 
	      Texte ähnlich wie Landschaften.
 
      - Wer Texte auf Papier liest, merkt sich mehr Informationen als bei 
    	  digitaler Lektüre.
 
      - Leuchtende Bildschirme und das ständige Scrollen strapazieren die 
	      Aufmerksamkeit und das Arbeitsgedächtnis zusätzlich.
  
    	  
		Ein geöffnetes Buch bietet einfach viel mehr: mit seiner rechten und 
	    linken Kante bietet es auf jeder Seite noch vier Ecken, so dass sich diese 
	    Topographie als Landkarte für unser Hirn geradezu ideal anbietet. Mit den 
	    Händen spüren wir bereits aufgrund des Gewichts der bereits gelesenen 
	    Seiten, wie weit wir im Stoff schon sind. Die Haptik eines Buches offeriert 
	    uns Möglichkeiten zum Navigieren mit vielen Sinnen, es beansprucht also 
	    weniger kognitive Kapazitäten; so bleibt uns mehr an Aufmerksamkeit, um den 
	    Inhalt zu erschließen. Das ist durch Tests untermauert.
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		Wie kommt es wohl, dass Studenten ihren in digitaler Form gelesenen 
	    Lehrstoff zwar gut erinnern können, aber nicht einfach 
	    wissen? 
	    Psychologen kennen zwei Arten, wie etwas im Gedächtnis behalten wird: 
		    
      - Informationen in Verbindung mit ihrem Kontext (was habe ich wo und 
	      wann und wie erfahren?) rufen wir beim Erinnern ab.
 
      - Wenn wir etwas wissen, dann sind wir der Ansicht, dass diese 
    	  Information wahr ist, ohne dass wir genau angeben könnten, wo wir ihr das 
	      erste Mal begegnet sind (mein Geburtsdatum, wie alt bin ich?).
  
      	
		Als weiterer Effekt kommt dazu, dass digitales Lesen schneller ermüdet und mehr stresst. 
		Interessant ist auch, was eine Mitarbeiterin von Microsoft Research Cambridge herausfand: 
		Leser von E-Books haben weniger das Gefühl, das Buch im Gerät auch wirklich zu besitzen. 
		Eine ähnliche Skepsis brachte man in den Anfängen der digitalen Musik entgegen; 
		und doch ist es heute für die meisten völlig normal, ihre Musiktitel aus dem Netz herunterzuladen, 
		sie zu verwalten oder gar zu tauschen. Mag sein, dass dem digitalen Lesestoff ein solcher Wandel 
		auch noch bevorsteht. 
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		Statt Konkurrenz wünsche ich mir mehr Koexistenz, und ich glaube, wir sind auf dem besten Weg dorthin.
			
  
		Doch stellt sich mir heute schon die Frage: „Wie haltbar sind denn wohl die Lesegeräte für die elektronischen Bücher?“– 
		Das muss sich wohl in einem Vergleich erweisen:
			
  
		In den Lesesälen unserer Universitätsbibliotheken stehen Grundlagenwerke, die schon 30 oder mehr Jahre auf dem Buckel haben 
		und bereits von tausenden Menschen gelesen wurden. Und ihre Informationen sind immer noch lesbar und von Wert. 
		Sehr oft hat man sogar mehrere dieser Werke vor sich liegen, um zu vergleichen, 
		und zuweilen ist der Schreibtisch schon zu klein dazu.
			
  
		Wie aber wird ein Lesegerät für elektronische Bücher nach 20 Jahren noch aussehen? 
		Wird es wohl mehr als ein paar Dutzend Benutzer überlebt haben? Eigene Erfahrungen damit habe ich nicht, 
		weil ich selber noch kein solches Gerät zuhause habe, wie vielleicht mancher unserer Leser.
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		Doch der Trend dazu ist bereits eingeläutet, seit die öffentliche Bibliothek von San Antonio in Texas 
		ihren Plan publizierte, im Herbst 2013 ihre 
      
		zu starten (den landesweit ersten Prototyp einer buchlosen Bibliothek), 
		nicht als Ersatz für das städtische Bibliothekssystem, sondern als Erweiterung 
		der erst 2005 fertig gestellten Public Library, welche fast 600 000 Bände umfasst 
		und mit 27 Zweigstellen arbeitet.
			
  
		Geplant war, für rund 250.000 $ einen Grundstock von 10.000 elektronischen Büchern zu beschaffen. 
		Inzwischen redet man von Kosten in Höhe von 2,3 Millionen $. Vor allem bildungsfernen Schichten 
		will man damit einen einfachen Zugang zu Literatur ermöglichen; 
		denn San Antonio ist zwar die zweitgrößte Stadt in Texas und die siebtgrößte in den USA, 
		rangiert aber bei der Alfabetisierung erst an Stelle 60.
    
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		Diese erste bücherlose Bibliothek startete im vorigen Herbst mit 10.000 
    Titeln und 100 ausleihbaren Lesegeräten sowie 50 mit vorinstallierten Titeln 
    für Kinder. Vor Ort will man 50 stationäre Rechner vorhalten, nebst 25 
    Klapp- und 25 Tabletrechnern. Wer allerdings nicht auf Papier verzichten 
    möchte, hat die Möglichkeit kostenpflichtig auszudrucken. Heute bietet die 
    BiblioTech mehr als 20.000 eBooks, über 7.000 Comics, 70 populäre 
    Zeitschriften, über 100.000 audioBooks, über 100.000 Film- und Musiktitel, 
    16 Englischkurse und 61 Fremdsprachenkurse. | 
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		Dennoch bleiben viele Fragen offen: Urheberrecht, Verfügbarkeit, Speichermedien, Kosten, Handling, 
		Bibliotheksangebote außer Medien-Ausleihe 
		… 
		Man wird ja sehen, wie sich dieses Pilotprojekt entwickelt und ob es 
		auch für wissenschaftliche Bibliotheken taugt.
		
		 vielleicht wird es letztlich doch heißen: 
     
	    „die gesunde Mischung macht’s?“  
		und nicht: „Bücher? Wer braucht schon gedruckte Bücher? Bibliotheken vielleicht?
		Nein, nicht mal die brauchen Bücher,  
	    wie uns die öffentliche Bibliothek von San Antonio in Texas vorführt.“
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